Am Samstag vor dem ersten Advent 2019 standen in Enkenbach nacheinander zwei inhaltlich sehr
gegensätzliche Enthüllungstermine an: Zum einen an einem landwirtschaftlichen Anwesen in unmittelbarer Nähe der alten Klosterkirche (Klosterstraße 8), zum andern am mennonitischen Gemeindehaus (Heidestraße 2a). Während der erste Termin zurückführte in die Zeit nach dem dreißigjährigen Krieg, wo täuferische Flüchtlinge aus der Schweiz einen Teil des Klosterhofgutes als Pächter übernahmen, führte der zweite Termin in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, wo heimatvertriebene Mennoniten aus Ost- und Westpreußen in die von amerikanischen Paxboys errichtete Enkenbacher Siedlung einzogen und eine Gemeinde gründeten. Da es sich beide Male um das Ankommen und heimisch werden von Flüchtlingen handelte, gab es doch auch eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Täuferspurenterminen.
Trotz des spät-novemberlichen Termins, konnten die Tafelenthüllungen bei schönster Vormittagssonne und bei angenehmen Temperaturen vorgenommen werden, was auch dem Austausch der zahlreichen Teilnehmer untereinander, den Vorträgen und den Besichtigungen förderlich war.
Die wenigsten Besucher kannten den innerörtlichen, ehemals von Mennoniten bewirtschafteten Bauernhof, der früher ein Teil des Klosterhofgutes war – noch weniger von ihnen kannten die romantische Hofanlage von innen. Seit dort keine Landwirtschaft mehr betrieben wurde, verwehrte ein hohes Hoftor dauerhaft den Einblick. Umso dankbarer waren wir, dass der Eigentümer Herbert Graf, der kein Mennonit ist, für den Anlass die Tore weit geöffnet hatte und auch den Platz zur Anbringung des Täuferspurenschildes zur Verfügung gestellt hatte. Sein Großvater hatte um 1912 den Hof erworben. Im Jahre 1800 hatten vier Käufer zusammen das Gut von der französischen Nation erworben, darunter der Mennonit Heinrich Würtz, der 1757 in die dort seit 1701 als Erbbeständer sesshafte Täuferfamilie Brennemann eingeheiratet hatte. Die historischen Fakten trug Sibylla Hege-Bettac vom Mennonitischen Geschichtsverein vor.
Die nächste Tafelenthüllung fand dann an dem durch amerikanische Kriegsdienstverweigerer errichteten mennonitischen Gemeindehaus statt, das inzwischen durch einen ergänzenden, sehr gelungenen Anbau an Größe, Zweckmäßigkeit und Aufenthaltsqualität enorm gewonnen hat. In seiner Ansprache führte Pastor Rainer Burkart die zahlreichen Zuhörer, die im Gottesdienstraum Platz genommen hatten, zunächst zurück in die „verlorene“, nun polnische Heimat eines Teils seiner Gemeindemitglieder oder ihrer Vorfahren, um dann auf den Neuanfang hier und die heutige Situation in der Gemeinde zu sprechen zu kommen. Mennoniten hatten als Neusiedler seit dem 16. Jahrhundert an der Kultivierung der Gebiete an Nogat und Weichsel entscheidend mitgewirkt und sie im Winter 1944/45 mit tausenden anderen verlassen müssen. An der Neuschaffung von Wohnraum in Enkenbach haben mennonitische Hilfsorganisationen aber auch die politische Kommune ihren Anteil. Gegenüber anderen Gemeinden hatte die Enkenbacher Mennenitengemeinde lange Jahre eine spezifische Prägung als Flüchtlingsgemeinde. Heute, mehr als 60 Jahre später, vereinigt die Gemeinde Mitglieder von überall her, ist in der Ökumene aktiv und stellt sich wie andere Gemeinden, den drängenden Fragen der heutigen Zeit: Kontinuität und theologische Ausrichtung, Zukunftsfähigkeit. „Wohin geht der Weg?
Werden wir auch künftig noch Spuren hinterlassen? Wird es uns in 100 Jahren noch geben oder hängen dann nur noch die Täuferspurenschilder? fragte Burkart am Schluss.
Tafel Kloster Enkenbach | Tafel Enkenbach Mennonitensiedlung Kirche